Vorgeschichte: Auf www.golem.de fand ich einen launigen Kommentar zum Thema Digitalisierung. Dieser inspirierte mich zu einer Antwort. Der Zugang zum Forum ist nicht nutzbar, also habe ich mich entschlossen, diesen Text zu meinem Blog hinzuzufügen. Hier der Link zum Text.
http://www.golem.de/news/digitalisierung-boomer-politik-will-die-jugend-vor-dem-internet-retten-2101-153696.html
Baby-Boomer
Ich wusste 55 Jahre nicht, dass ich ein Baby-Boomer bin. Hat mir niemand gesagt. Jetzt weiss ich es endlich! Danke.
Um es vorweg klarzustellen: Ich arbeite seit 30 Jahren in der IT-Industrie. Und manchmal bin ich auch noch begeistert von der einen oder anderen Innovation. Aber eben nur noch manchmal.
Nun, welche Realität, vor der wir – die Baby-Boomer – uns verweigern, meint denn der Schreiber? Meint er diese Realität, in der Software vor allem zur Verbesserung der Margen und des Gewinns von Unternehmen und des Abbaus von Personal in der Wirtschaft genutzt wird? Oder die, in der aus gleichem Grunde Software zur Verbesserung der Flugeigenschaften von eigentlich aerodynamisch nicht geeigneten Fluggeräten verwendet wird?
Meint er die Realität, in der Dienstleister mit der Begründung, das sei ja viel bequemer für mich und dass könne ich ja online machen, ihren Aufwand und ihre Kosten für die Verwaltung auf mich verlegen. Und dann – wieder mit obiger Begründung – große Teile ihres Personals entlassen?
Meint er die Realität, dass immer mehr Kinder und Jugendlich einfach nicht einen Satz mehr fehlerfrei schreiben können, Schwierigkeiten haben den Dreisatz überhaupt zu kennen und viele meinen, der 2. Weltkrieg wurde 1960 beendet?
Vielleicht meint er aber auch die Realität, in der eine einfache Software zur Risikoeinschätzung bei Infektionen, entwickelt von den beiden führenden IT-Unternehmen Deutschland, bei einer Nutzungsbreite von 25 Millionen Nutzern praktisch wertlos ist?
Oder meint er die Realität, dass die Big Five der Internetindustrie nahezu Monopole darstellen, aus diesem Grund obszöne Gewinne einfahren und diese noch nicht einmal mit der Gesellschaft teilen.
In meiner Zeit als Jugendlicher gab es erst nur ein Fernseh-Programm und dann zwei. Da wurde nicht den ganzen Tag fern gesehen. Wie denn? Ich musste Bücher lesen, basteln und mit anderen im Wald spielen. Was für eine grausame Kindheit. Ohne soziale Medien, man stelle sich das vor! Vielleicht bin ich deshalb kritischer, nehme kein Blatt vor den Mund und lasse mir keine rosarote Brille verpassen. Ich weiß es nicht.
Im Mittelalter gab es sicher Start-ups, die den Donnerbalken für die tägliche Notdurft als Innovation verkauft haben. Niemand wusste, dass die Römer 1.500 Jahre früher schon Spülklosetts hatten. Das zum Thema: Früher war alles besser. Ja, ich bin frustriert.
Ein kompletter Zusammenbruch unserer filigranen Zivilisation ist jederzeit möglich. Und eine überwiegend medial sedierte Bevölkerung erhöht das Risiko eines solchen Ereignisses enorm. Das ist die Realität, die unserer Generation Sorgen bereitet. Ich habe Kinder, aus diesem Grund möchte ich dazu beitragen, ein Fiasko zu verhindern.